Am 13. Mai 1999 verloren die Grünen endgültig ihren Status als Vorreiter des Pazifismus in Deutschland. Gleichzeitig wurde eine rote Linie überschritten, hinter die unser Land anschließend nicht mehr zurücktreten konnte, die der militärischen Neutralität innerhalb des NATO-Bündnisses. Auf dem sogenannten „Kosovo-Sonderparteitag“ schwor der damalige Außenminister Fischer seine Parteigenossen auf Kriegskurs gegen Serbien ein. Als ultimatives Argument diente ihm dabei die deutsche Vergangenheit, so als bekämpfe man nicht eigentlich den serbischen Präsidenten Milosevic, sondern in Wahrheit keinen Geringeren als Adolf Hitler. [1] Kein aufrechter Grüner hätte es gewagt, sich dieser Argumentation zu entziehen. Seit Jahren ist es nun ein Mittel deutscher Politik, mit grandiosen Zielen zu operieren und so jede Kritik am einmal eingeschlagenen Weg im Keim zu ersticken, der, wie Angela Merkel es formulierte, stets als »alternativlos« deklariert wird. Es gibt nur schwarz oder weiß: Die große Moralkeule saust auf jeden herab, der diesen Weg nicht widerspruchslos mitbeschreiten will: Der »Klimaleugner« gibt die Welt dem Untergang preis, der »Covidiot« trägt Schuld an den überfüllten Intensivstationen und folglich muß in der aktuellen Ukraine-Krise auch jeder Kritiker der Bundespolitik ein »Putinfreund« sein. [2]
So groß die gesteckten Ziele sind, so gefährlich ist der hinter angeblich humanen Absichten versteckte Totalitarismus. Dabei stürzt sich die Politik der Altparteien mit viel Entschlossenheit aber umso geringerem Augenmaß für die Folgen ihrer Entscheidungen auf jeden Trend, der sich weltpolitisch bietet. Was als »Energiewende« vollkommen überstürzt nach den Ereignissen von Fukushima eingeleitet wurde, weil man sich für den Notfall auf die europäischen Nachbarn verließ, wird nun ungeachtet aller Folgen für unser Land weitergeführt: Anstatt zu mehr Autonomie bei der Energieversorgung Deutschlands zurückzufinden, soll nun erst recht der Ausbau der Windenergie vorangetrieben werden. Christian Lindner macht daraus in orwellscher Manier gar gleich »Freiheitsenergie« – ein tiefer Griff in die propagandistische Trickkiste. [3] Im Endergebnis bedeutet dies allerdings, sich von einer Abhängigkeit in die nächste zu begeben, denn man darf sich nicht der Illusion hingeben, die NATO handele aus rein humanitären Interessen – der Bau von Anlagen zur Aufnahme von teurem und besonders umweltschädlichem amerikanischem Flüssiggas hat schon begonnen.
Außenpolitisch jedoch zeigt die Bundesregierung nun plötzlich Muskeln. Nachdem man sich zunächst zierte, Waffen an die Ukraine zu liefern, ist dies plötzlich problemlos möglich, denn man fürchtet sonst einen Imageschaden dem Hegemon USA gegenüber. Auch die reichlich angeschlagene Bundeswehr soll wieder auf Vordermann gebracht werden. Wie schon in der Migrationskrise kann für dieses Projekt eine beachtliche Summe aus dem Hut gezaubert werden, über die sich sicherlich auch unser Gesundheitswesen gefreut hätte. Es ist unklar, was die Bundeswehr, der man die soldatischen Tugenden ausgetrieben hat und die vor allem unter Personalnot leidet, auf die Schnelle mit diesem Geldsegen anfangen soll. Gefährlich ist das Signal, das damit in Richtung Osten gesendet wird. Unseren eigenen – auch wirtschaftlichen – Interessen würde die Rolle eines neutralen Vermittlers weitaus besser zu Gesicht stehen. Ohne Not setzt die Bundesregierung unser Land auf den militärischen Präsentierteller, auf dem es sich aus eigener Kraft nicht halten kann. Die hier stationierten NATO-Streitkräfte vor allem der USA könnten im Falle einer Ausweitung des Konflikts Deutschland zum bevorzugten Angriffsziel in Mitteleuropa machen. Die Stärke, welche Kanzler Scholz hier zu demonstrieren meint, ist in Wahrheit lediglich die Suche nach Prestige – und außenpolitisch extrem leichtsinnig obendrein. [4]
Seit Jahren verhalten sich die Politiker der Altparteien wie Getriebene, die Großes anstreben, jedem populären Trend nachlaufen und dabei weitreichende Entscheidungen treffen, die weder durchdacht sind noch letztlich dem Wohl der ihnen anvertrauten Bevölkerung dienen. Auch jetzt verliert man wieder vollkommen aus dem Blick, daß Rußland mehr ist als Putin und schon geografisch als Handelspartner für Deutschland naheliegt. So sehr der russische Einmarsch in die Ukraine zu verurteilen ist und wir großen Anteil am Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung nehmen, darf das nicht den Blick auf in der Vergangenheit begangene Fehler bei der Integration Rußlands in die europäische Staatengemeinschaft verstellen. Sonst ist die zu Markte getragene »einwandfreie Haltung« nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver von eigenen Verfehlungen. [5]