Unendlicher Fluss von inhaltsleeren Sätzen

Unendlicher Fluss von inhaltsleeren Sätzen

„Wo es den Rednern an Tiefe fehlt, da gehen sie in die Breite“ – glaubte der bissige Aufklärer Charles de Montesquieu beobachten zu können, und er dürfte sich nicht geirrt haben. Zumindest nicht angesichts des jüngsten Rundbriefes des sächsischen Ministerpräsidenten, der als ein rühriges Konglomerat von Durchhalteparolen gegen das Coronavirus verstanden werden will. Peinlich ist nicht nicht der gespürt unendliche Fluss von inhaltsleeren und damit überflüssigen Sätzen, oder an die seligen Königszeiten erinnernde Majestas pluralis im dritten Absatz. Viel nachdenklicher stimmt den Leser das Vorstellungsvermögen eines christlich-demokratischen Provinzspitzenpolitikers bezüglich des Osterfestes, des größten Festes der Christenheit, die auch die Fundamente der europäischen Kultur bildet. Michael Kretschmer bedauert nämlich, dass das Osterfest nicht „wie gewohnt“ begangen werden könne: „Ob ein gemeinsamer Ausflug, der Besuch der Großeltern oder gesellige Feste im Freundes- oder Familienkreis – wir müssen in diesem Jahr auf lieb gewonnen Traditionen verzichten“. Lassen sich tatsächlich darin „die Traditionen“ ausmachen?

In seinem äußerst inspirierenden Buch „Goldgrund Eurasien“. Der neue Kalte Krieg und das Dritte Rom sinniert Dimitrios Kisoudis genau über den Traditionsverlust des Westens nach. Er konstatiert einen neuen Kalten Krieg zwischen dem Osten und dem Westen: während der Westen dabei völlig versagt, Tradition mit der Moderne zu verbinden und hierzulande „Komplexität in Primitivität“ umschlägt, kehre das neue Russland zur Orthodoxie zurück, die als neue „Kraftquelle“ diene – argumentiert Kisoudis. Eine spirituelle Rückbesinnung macht er übrigens auch in China aus, wo allmählich die konfuzianischen Wurzeln wiederentdeckt werden. Der Westen dagegen glaubt auf jedwede Tradition und Spiritualität verzichten zu können. Sollte der griechische Autor weitere Belege für seine These suchen, dürfen wir ihm einen Beitrag von der Sächsischen Staatskanzlei gerne anbieten.

Kretschmers Offener Brief